Medusa war einst eine sehr schöne Priesterin im Tempel der Athene. Doch dann geschah etwas, das wir heute gesellschaftlich unter „Folgen toxischer Männlichkeit“ und in der Literatur als „Sex and Crime“ einsortieren. Daher sollte es meiner Meinung nicht heißen: Wer ist Medusa? Sondern besser: Was wurde aus Medusa und warum?
Als Poseidon sich in sie „verliebt“ – er war allgemein gierig auf schöne, keusche, unbefleckte Mädels –, nimmt Medusas Schicksal eine schlimme Wendung: Poseidon vergewaltigt sie und erzürnt damit Athene. Anstatt Poseidon zu bestrafen, bestraft die Göttin der Weisheit (!) und des Kampfes das Opfer: So wird die schöne Priesterin aus dem Tempel geworfen, verflucht und auf eine einsame Insel verbannt.
Medusas Haare verwandelt Athene in giftige Schlangen. Ihr schönes Äußere wird damit gefährlich und hässlich. Fortan wird jede Person, die Medusa in die Augen blickt, sofort in Stein verwandelt. Erinnert euch das an ein Fabeltier? Richtig, den Basilisken! Niemand kann die schöne Priesterin von einst ab da mehr ungestraft anschauen.
In Medusas Geschichte stecken gleich mehrere klassische Erzählstrukturen:
- Die ideale Frau ist schön, fromm UND möglichst asexuell.
- Medusa gilt erst als „gute Frau“, weil sie ihre Jungfräulichkeit bewahren wollte.
- Das Opfer wird bestraft, nicht der Täter.
- Untreue wird bestraft.
- Hässlichkeit = Boshaftigkeit (Medusa mit Schlangenhaupt ist nicht mehr lieb).
Wie geht es weiter mit Medusa?
Der griechische Held Perseus (Sohn des Zeus) schlägt Medusa das Haupt ab. Dabei hilft ihm ausgerechnet Athene (!), indem sie ihm einen Spiegel mitgibt. Aus dem Blut, das dabei hervorquillt, springt das Pferdchen Pegasus heraus. Fun Fact: Perseus versteinert gleich noch ein paar Leute, indem er das Haupt der Medusa mitnimmt.
Im Band Fabeltiere stellen Florian Schäfer und Janin Pisarek die These auf, dass der „Spiegeltrick“ von Harry Potter gegen den Versteinerungsblick des Basilisken von Joanne K. Rowling aus der Medusen-Sage entnommen wurde.
