Marketing-Fachleute, Texterinnen, Texter und Unternehmensberatungen
empfehlen in letzter Zeit gerne wieder, „Storytelling zu betreiben“,
weil man damit sein Anliegen und seine Angebote viel anschaulicher
zeigen kann. Mit Erzählungen zeigen, sodass jeder es versteht. Aber
warum und überhaupt, was ist Storytelling?
Während meiner Zeit bei der Werbeagentur Grey in Düsseldorf in den 90er Jahren erzählte mir einer der Texter, die Legende des Hauses: Wie es zur Idee der TV-Spots von Gervais Obstgarten von Danone kam. Ob diese Story wahr ist, kann ich nicht sagen. Aber schön ist sie! Für den Pitch, an dem wie üblich mehrere Werbeagenturen um den Auftrag konkurrierten, packte der Managing Director von Grey die Entwürfe vor der versammelten Danone-Geschäftsführung aus. Nichts gefiel ihnen. Da wurde er nervös, suchte händeringend nach Argumenten, schwitzte und setzte sich (wohl etwas zu schwungvoll) auf den Tisch hinter ihm, der daraufhin zusammenbrach. „Das wird unsere Kampagne“, konterte der Managing Director pfiffig. „Alle anderen Snacks sind zu schwer, Gervais Obstgarten ist leicht!“. Das war der Beginn von vielen Werbespots mit krachenden Balkonen und durchbrechenden Fußböden, während die Gervais-Obstgarten-Genießer vergnügt zuschauen. Angeblich führte Helmut Dietl Regie, aber auch dafür finde ich keinen Beleg. Aber wichtiger ist: Die Agentur-Story und die Danone-Spots selbst sind schöne Beispiele für Storytelling.
Storytelling als Marketing-Tool ist vielen – Fruchtquark-Spots hin oder her – noch unklar. Daher zeige ich hier, was hinter dem Begriff steckt, woher die Methode kommt
und wozu du Storytelling alles gebrauchen kannst.
Zum Warmwerden: Schau dir hier einen dieser „krachenden“ Obstgarten-Spots auf YouTube an.
Storytelling, (k)ein Buch mit 7 Siegeln
Storytelling ist der englische Fachbegriff für das Geschichtenerzählen. Indem wir Informationen in eine gute Geschichte packen, vermitteln wir sie mit Emotionen, die die Lesenden oder Zuhörenden packen und das Erzählte miterleben lassen. Das liegt daran, dass gute Geschichten begeistern und sofort das „Kopfkino“ ankurbeln. Wir werden von einer guten Story mitgerissen. Das funktioniert im besten Falle wie ein Sog. Im Falle des Beispiels oben, war der Sog so stark, dass jeder ihn kannte. Den Fruchtquark-Spot ahmten sogar wir als Schulkinder nach, indem wir Joghurt löffelnd mit unseren Stühlen umkippten, und jeder schrie „Gervais Obstgarten“. Na ja, nicht jeder. Die Lehrer zückten schonmal das Klassenbuch …
Storytelling kennen wir aus der Literatur und aus Filmen, doch es ist viel älter. Es gibt Storytelling, seit es Menschen gibt. Genauer gesagt, wahrscheinlich seit wir die Sprache erfunden haben, am Lagerfeuer zusammengekommen sind und uns Geschichten erzählten. Storytelling in der Bibel nennt man Gleichnisse. Überliefertes Storytelling sind unsere Märchen, Mythen und Sagen. Jedes Volk besitzt eigene Geschichten, und sie entwickeln sich immer weiter.
Aber was genau bewirkt Storytelling? Indem wir eine schaurige oder witzige, eine traurige oder spannende Story erzählen, können wir kalten, nackten Daten oder Fakten Leben einhauchen. Je nachdem, wie wir unsere Story erzählen (witzig, spannend, gruselig …), lösen wir beim Publikum bestimmte Emotionen aus.
Ein Beispiel: Das Märchen von Schneewittchen ist an manchen Stellen zum Fürchten (wenn die Stiefmutter als alte Frau mit dem Apfel in der Hand an der Tür klopft). Wir zittern mit der Königstochter und innerlich beschwören wir sie: „Nimm diesen Apfel nicht, beiß nicht rein!!“. Dann wiederum wird es sehr traurig im Märchen, als Schneewittchen bewusstlos im Sarg liegt und niemand merkt, dass sie noch lebt. Früher wollte ich am liebsten die Zwerge packen und schütteln, damit sie genau hinschauen. Und zum Schluss freuen wir uns so sehr, dass der junge Prinz Schneewittchen sieht, sie küsst und sie dadurch aus ihrem Koma (oder was auch immer) erweckt.
Mehr darüber: Warum Märchenerzählen gut für Storytelling ist, erfährst du hier.
Was ist Business-Storytelling?
Noch ein Beispiel: Als Unternehmen schreibst du endlich einmal etwas über deine Leidenschaft, mit der du etwas tust. Du zeigst deine gesamten Lösungen (Angebote), indem du sie nicht nur aufzählst oder nicht nur ihren Nutzen zeigst, sondern die Reise dorthin. Zum Beispiel, wie du auf sie gekommen bist (der Weg), warum du sie entwickelt hast (das Ziel) und wofür sie gut sind und wer sie schon erfolgreich einsetzt (der Nutzen und noch viel mehr). Dann erzählst du noch, warum dir das so wichtig war (deine Mission) und wo du einmal (fast) gescheitert bist (deine Menschlichkeit). Wenn ich so eine Story erfahre, bekomme ich gleich mehr Verständnis für dich und dein Tun. Deine Angebote werden für mich gleich doppelt interessant, da ich nun weiß, wofür sie gut sind, wie du „tickst“ und wofür du „brennst“.
Du siehst also: Im Business Storytelling kannst du das uralte Marketing-Tool sehr vielfältig einsetzen, und ähnlich, wie in einem Märchen oder einem spannenden Roman. Denn auch im Marketing geht es um Emotionen und Gefühle, denn schließlich kaufen wir am liebsten von Menschen. Wer also hinter seinem Business sichtbar wird, bekommt die Sympathie – und sobald wir ähnlich gute Angebote vergleichen – den Auftrag.
Genutzt wird Business-Storytelling nicht nur zum Verkauf, sondern auch zur Führung von Mitarbeitenden, im Branding und im Marketing, in der Werbung und PR und in der Unternehmenskommunikation.
Warum funktioniert Storytelling so gut?
Mit einer spannenden, unterhaltsamen Story kannst du kalten, nackten Daten und Fakten Leben einhauchen, und zwar so wie es zu deinem Unternehmen passt. Du erzählst die immer gleichen Nutzenargumente ganz individuell aus deiner Haltung, von deinem Unternehmen!
Du kannst auch unangenehme Botschaften mit Storytelling besser mitteilen. Packe eine schlechte Nachricht in eine einfühlsame Story verpacken und wecke damit Verständnis bei deinem Publikum. In vielen Krisensituationen wird Storytelling eingesetzt.
Kann Storytelling auch schaden?
Ein klares Ja! Wie jedes Instrument, ist Storytelling vielfältig einsetzbar, und manchmal wird es (leider) zum Schaden von anderen genutzt. Wenn zum Beispiel ein bestimmtes, stereotypes Feindbild systematisch in die Köpfe der Menschen gepflanzt wird. Mit Stereotypen und Feindbildern („Die Grünen sind an allem schuld!“) arbeitet man beispielsweise in politischen Systemen schon seit Jahrtausenden, und sie funktionieren meist (viel zu) gut.
Zurück zum Positiven: Wer eine gute Story gehört oder gesehen hat, kann sie sich besser einprägen als eine reine Aufzählung von Fakten oder ähnliches. Durch gutes Storytelling können wir Informationen nachhaltiger vermitteln. So kann man zum Beispiel auch komplexe, schwierige Sachverhalte so darstellen, dass sie jeder versteht. Und wir kommen im Übrigen auch aus Stereotypen und Feindbildern mit dem passenden Storytelling wieder heraus. (S)ein Image anders und besser darzustellen, gehört in den Bereich der Corporate Identity (CI), und auch hier gelingt das meist mit richtig gutem Storytelling oder sogar Storydoing.
Wie geht Storytelling genau?
Ganz einfach gesagt, besteht jede Geschichte aus drei Teilen, dem Anfang, der Mitte und dem Ende. So einfach ist das mit der Story aber nicht, denn diese drei Teile besitzt auch ein Brief. Etwas präziser ausgedrückt, beginnt man in einer Story mit einer Ausgangssituation („Das Problem“ oder „So sieht das momentan aus“), dann folgt meist eine Komplikation („Aber jetzt passiert das!“ oder „das kommt erschwerend dazu“) und zum Schluss gibt es die Auflösung („Die Lösung“ oder „So gelingt es besser“). Genauer habe ich das in Der rote Faden im Storytelling erklärt.
Erfolg im Storytelling stellt sich nicht über Nacht ein. Es ist vielmehr eine nachhaltige Methode, die du öfter einsetzen solltest. Es reicht also nicht, nur einmal etwas aus seinem Unternehmen zu erzählen – und gut ist. Dazu hat Judith Peters für ihren Bereich „Bloggen“ einen wunderbaren Begriff gefunden, das Slow-Blogging. Hier wird klar, warum langsam, systematisch und stetig oft die bessere Wahl ist. Das gilt ja für viele Dinge im Marketing und sowieso im Leben. 😉
Zurück zum „Wie“: Das Erzählen einer Geschichte und das Business Storytelling folgen grob gesagt denselben Regeln: Es geht beide Male darum, mithilfe von Geschichten, Aufmerksamkeit zu erzeugen und Menschen zu etwas zu bewegen. Wir wollen mit unserer Geschichte eine bestimmte Reaktion auslösen.
Diese Reaktion kann ein Tun sein („Das kaufe ich!“). Sie kann auch erst einmal eine bestimmte Haltung erzeugen („Ich stimme voll zu!“, „Ach, wie schön!“, „Oh, das tut mir leid!“ oder „Uii, das brauche ich!“) oder eine Sensibilisierung zu einem bestimmten Thema („Ernähre ich mich wirklich gesund?“) oder ein tieferes Verständnis dafür, was dein Unternehmen so macht und wofür das gut ist („Ach, das ist ja toll, das habe ich ja gar nicht gewusst!“) oder wofür dein Unternehmen konkret steht („Die sind ja wirklich im Klima- und Umweltschutz aktiv, und schreiben das nicht nur.“) …
Wieso funktioniert das so gut?
Indem wir von unseren Projekten erzählen und sie nicht nur aufzählen, werden sie als Bilder in den Köpfen der Menschen präsent, bleiben dort haften und hinterlassen ein bestimmtes Gefühl. Steven Jobs, der Gründer von Apple, war ein Meister des Storytelling in Worten und in Bildern. Das Unternehmen Coca-Cola schafft es seit Jahrzehnten, uns zu suggerieren, dass hinter einem dunkelbraunen Zuckersaft ein ganzes Lebensgefühl steckt (und der Weihnachtsmann 🙂 )
Die Frage, „Was ist Storytelling?“ kann man also recht simpel beantworten mit: Storytelling pflanzt dir Bilder in den Kopf. Bilder, mit denen du ein bestimmtes Gefühl für oder gegen etwas entwickeln und dich gleichzeitig an das Thema länger erinnern wirst.
„Good Stories always win!“,
so heißt auch mein Slogan.
Welche Formate passen zum Storytelling?
Soll man jetzt eine epische Unternehmensstory entwickeln? Oder lieber ganz viele kurze Geschichten-Happen erzählen? Wie oft muss Storytelling passieren, und wenn ja, wo am besten? Auf YouTube oder auf Instagram? Auf dem Blog oder auf LinkedIn? Zur Sache mit der Art und den Formaten habe ich vor einiger Zeit eine Prognose gewagt, und zwar wohin die Reise im Storytelling gerade geht. Der Blogartikel ist von 2022, aber ich finde ihn immer noch aktuell.
Der Blogbuster
4 Blogartikel schreiben lassen = 4 x Konfetti!
Mit 4 Blogartikeln kannst du Storytelling auf deinem Blog richtig gut starten oder fortführen, indem du dich und dein Ziel 4x unterschiedlich erzählst. – Damit dein Business so sichtbar wird, wie es zu dir passt.
Liebe Manuela, vielen Dank für deinen sehr informativen Artikel. Er hat mir einen klaren Blick geschenkt hat, was storytelling ist und wie es eingesetzt werden kann. Die bildliche Sprache ist mir sehr sympathisch.
Liebe Romana, das freut mich sehr. Schön , dass ich dir den Begriff Storytelling verständlich machen konnte. Demnächst möchte ich mehr dazu verbloggen, denn es gibt ja noch viel darüber zu erzählen. 😉